Nicht ganz in Übereinstimmung mit der Begriffsverwendung in der „Bibliothekswissenschaft“ und dem wissenschaftlichen Arbeitsfeld „Dokumentation“1 bezieht sich das Institut für Dokumentologie und Editorik auf einen verallgemeinerten Dokumentologie-Begriff:

Dokumentologie ist die theoretische (wissenschaftliche) und praktische (produktive) Beschäftigung mit den Dokumenten als Kommunikations- und Speichermedien.

Die Dokumentologie befasst sich mit den Produktionsbedingungen, Funktionsweisen, Strukturen, Erscheinungsformen und Inhalten von analogen und digitalen Dokumenten. Sie steht dabei in Beziehung zu einer ganzen Reihe anderer wissenschaftlicher Gebiete.

Dokumentologie und Mediengeschichte. Dokumentologie befasst sich mit den Dokumenten als Medien in Gegenwart und Vergangenheit. Sie erforscht die Produktionsbedingungen und die kommunikativen Funktionsweisen von historischen Dokumenten. Dokumentologie ist angewandte Mediengeschichte, wenn sie auf die Erkenntnisse der Mediengeschichte zurückgreift um z.B. historische Dokumente in neuen Formen zu repräsentieren.

Dokumentologie und Medientheorie. Dokumentologie stellt historische und gegenwärtige Medien in einen gemeinsamen theoretischen Rahmen. Dokumentologie fokussiert auf die medialen Aspekte von z.B. textlicher Kommunikation. Sie entwickelt das MacLuhan’sche Diktum vom „The Medium is the Message“ fort und fragt insbesondere nach den Wechselwirkung zwischen den materiellen Grundlagen der Kommunikation und ihren Botschaften.

Dokumentologie und historische Grundwissenschaften. Die historischen Grundwissenschaften befassen sich mit den äußeren und inneren Merkmalen historischer Dokumente. Sie fragen nach den Entstehungsbedingungen und Verwendungskontexten der Dokumente. Dabei ordnen sie diese einerseits in den zeitgenössischen Medienhorizont ein (z.B. Frage dem Verhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, symbolische Kommunikation von Schriftlichkeit), andererseites entwickeln sie indäquate Repräsentationsformen der historischen Dokumente in der Gegenwart (kritische Edition). Ein zentrales Motiv dokumentologischer Arbeit der Historischen Grundwissenschaften ist dabei die Quellenkritik, welche die Gesamtheit der Dokumenteigenschaften (Inhalt, Text, Sprache, Schrift, Schriftträger, Beglaubigungsmittel etc.) betrachtet, um den Dokumenten ihren richtigen historischen Ort zu geben.

Dokumentologie und Philologie. Dokumentologie befasst sich häufig (aber nicht ausschließlich) mit texttragenden Dokumenten. Deren kommunikative Bedeutung wird hauptsächlich mit Mitteln der (Schrift-)Sprache hergestellt. Die Philologien sind deshalb eine Grundlagenwissenschaft für die Dokumentologie. Andererseits liefert die Dokumentologie notwendiges Wissen, die Texte, die Gegenstand der Philologie sind, in ihren materiellen Kontext einzuordnen.

Dokumentologie und Museologie. Alle musealen Objekte sind als erschlossene und verzeichnete Objekte Dokumente. Museologie befasst sich im dokumentologischen Sinne mit der Beschreibung dieser Objekte und mit der Repräsentation ihres Informationsgehaltes.

Dokumentologie und LIS (Library and Information Science / Bibliotheks- und Informationswissenschaft). Die Bibliotheks- und Informationswissenschaft befasst sich mit der Erschließung und Beschreibung von Dokumenten mittels standardisierter Metadatenschemata und kontrollierter Thesauri. Sie kümmert sich zunehmend aber auch um die Bereitstellung digitaler Surrogate physischer Dokumente.

Dokumentologie und Informationstechnologien. Informationstechnologien liefern das praktische Werkzeug zur Verwaltung und Analyse von dokumentologischen Informationen und zur Präsentation von Dokumenten z.B. in digitalen Medien. Die Informationstechnologien ermöglichen die Herstellung von transmedialen Repräsentationsformen, aus denen die verschiedenen Erschließungs-, Verarbeitungs- und Wiedergabeformen von z.B. historischen Dokumenten generiert werden können.

Das Institut bringt seine Kompetenzen auf der theoretischen, der methodisch wie der praktischen Ebene in die Arbeit dieser Wissenschaften ein: Es reflektiert Wirkungen des jeweiligen Dokumentverständnisses auf die verschiedenen Wissenschaften und ihre Praktiken und entwickelt für seine Partner Vorgehensweisen und Modelle dokumentorienterten wissenschaftlichen Arbeitens.


1 Das IDE verwendet den Begriff der „Dokumentologie“ in einem spezifisch Sinn, um die besonderen Eigenschaften historischer Dokumente zu erfassen. Andere Beschreibungen des Begriffs konzentrieren sich auf die informationserschließende Tätigkeit der Dokumentare:

„Documentology: (dok´yu men taw lajee) n. 1. the scientific study of printed and on-line documents, including, but not limited to, the examination of their structure, form, automation and presentation. 2. the study of, search for, and eventual capture of, the elusive single-source essence of any document with multiple outputs.“

  • Definition in Duden – Das große Fremdwörterbuch: Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag 2003

Dokumentologie: „Wissenschaft von der Dokumentation“, dazu dann die Definition von Dokumentation: „Zusammenstellung, Ordnung u. Nutzbarmachung von Dokumenten u. (Sprach-)materialien jeder Art (z.B. Urkunden, Akten, Zeitschriftenaufsätze)“